
Campus einer deutschen Universität: eine Gruppe Studenten.
Langgelockte Burschen in der durch Caspar-David Friedrich propagierten schwarzen altdeutschen Tracht (keine Farben tragend) betritt mit einem Sarg auf den Schultern die Bühne. Einer der Burschen trägt den abgeschlagenen Kopf des ebenfalls jugendlich gelockten toten Karl Ludwig Sand feierlich auf einem Teller vor sich her. Die Burschen singen Binzers Lied.
BURSCHEN: „Wir hatten gebauet
ein stattliches Haus
und drin auf Gott vertrauet
trotz Wetter, Sturm und Graus.
Die Form ist zerbrochen
von aussen herein,
doch was man drin gerochen,
(sie verziehen die Gesichter)
ist eitel Dunst und Schein.
Das Band ist zerschnitten,
war schwarz, rot und gold,
und Gott hat es gelitten,
wer weiss, was er gewollt.“ (ab)
Pressy; Bank; Marguérite und Penard

PENARD: Was nähst du da so sorgsam und fein,
gibts einen Vorhang? Ein Kleid?
Hast du, bevor du wollest frein
und lässt dich auf einen Burschen ein,
zu nähn das geschworen nen Eid?
Ich bitte dich, antworte, Marguérite –
warum sprichst du denn mit mir nicht mehr?
Ist es wohl gar ein Requisit
für den Maskenzug, der morgen zieht
von Aubonne herüber hierher?
MARGUÉRITE: Erlaubt mir, Vater, den Widerspruch:
Marguérite nie nem Mann sich gesellt.
Was ich hier nähe, ist der Versuch,
zu nähen dem Mieter aus Fahnentuch
die Trikolore, die er bestellt.
PENARD: Eine schwarzrotgoldene Trikolore
gibts nicht in europäischen Landen!
Es kommt mir so vor,
als ob dein welsches Ohr
sein Deutsch hätte missverstanden!
Die einzige ähnliche Fahne ist die,
die die Flamen und Wallonen erwarben.
Unter dem Namen Belgien sind sie
seit ein paar Jahren souveräne Monarchie,
vertikal schwarzgoldrot sind die Farben.
MARGUÉRITE: Er hat es mir aufgezeichnet – hier,
am zwanzigsten Januar!
Zuoberst das Schwarz steht auf dem Papier,
dann Rot, dann Gold, ‘s ist nur ein Geschmier
doch zu erkennen klar.
Für die Malerei hat er benutzt
Materialien nass und trocken:
Mit Asche geschmutzt,
Blut vom Arm sich geputzt,
und das Gold, das sind seine Locken.
PENARD: Unser armer Mieter ist ein Phantast,
man muss sich sorgen um ihn.
Er trägt an einer heimlichen Last –
es ist gut, dass du sein Vertrauen hast –
doch bedarf er der Medizin.
Er sagt, er wisse einen Docteur,
den ist er gegangen zu finden.
Er schenk ihm Gehör,
ihn nicht schlimmer verstör –
Medizin vergibt keine Sünden. (ab)
MARGUÉRITE: „Das Band ist zerschnitten,
war schwarz, rot und gold…“
Was hat er gelitten
und mannhaft gestritten
und mehr, als er sollte, gewollt?
„Die Form ist zerbrochen
von aussen herein…“
Ach, vor wenigen Wochen
hatte keinen Grund, so zu pochen,
das arme Herze mein!
Doch seit er gekommen,
der arme, kranke Mann,
bin ich so beklommen,
kann zu mir nicht kommen
und stehe in seinem Bann.
Ich brachte ihm Schinken,
etwas Milch, ein Stück Brot…
Der Kopf tät ihm sinken,
als wär er am Ertrinken –
was hat er für Not?
Oft hör ich ihn stöhnen,
dass Gott erbarm.
Würd gern ihn verwöhnen,
sein Leben verschönen,
fortscheuchen den Harm.
„Wir hatten gebauet
ein stattliches Haus…“
Wenn er mich anschauet,
mein Herz ihm vertrauet
über den Himmel hinaus
Genf; Tisch mit Buch, zwei Stühle; Lornsen mit Rucksack, Péchier.
LORNSEN: Ich komme zu dir, du Homöopath,
ich weiss nicht mehr aus noch ein.
Ich bitt dich um ärztlichen Rat,
hilf mir mit heilender Tat,
denn ich muss vor Seelenangst schrein.
PÉCHIER: Wer bist du, warum kommst du zu mir,
was ist deines Leidens Natur?
Gern stehe ich zur Verfügung dir,
wie deine Lebensuhr rast, ich spür,
will verordnen die rettende Kur!
LORNSEN: Genügt es dir nicht, Péchier,
zu sehen den Menschen und Mann?
Wie oft ich hinaus an den Genfer See
mit all meinen Sorgen und Schmerzen geh,
weil niemand mir helfen kann!
Empfohlen hat deinen Bruder mir,
den Apotheker Péchier,
ein Kieler Freund – doch dein Bruder ist tot,
deshalb komm ich zu dir in meiner Not
und bitte dich: Wende mein Weh!
Es ist ein Schmerz, der mich plötzlich befällt,
lässt rot die Gelenke schwellen,
die Haut pergamenten und wie gepellt,
ein trockenes Hüsteln die Brust durchgellt,
ein Leid, um ne Eiche zu fällen.
PÉCHIER: Im Moment aber, scheint es, gehts Ihnen gut,
die Gelenke sind schlank und kühl.
Die Haut ist geschmeidig – doch dort seh ich Blut,
wie bei einem, der sich etwas antut –
das macht mir ein ungutes Gefühl.
LORNSEN: Ach, achten Sie darauf nicht, Docteur,
ich hab mich aus Versehen geschnitten.
Ich gehe auch gerne, wenn ich hier stör,
ich bin nicht gekommen für ein Verhör,
ich kam, Sie um Heilung zu bitten.
Um Heilung des Übels, das schon so lang
in meinem Leibe gewütet,
das mich wie eine Boa umschlang
mich in furchtbares Elend zwang
und mich erstickt und bebrütet.
PÉCHIER: Sie kennen noch nicht das System,
nach dem ich wirke und heile.
Ich löste damit schon manches Problem
und heilte damit schon manches Ekzem,
doch verträgt es keine Eile.
Entwickelt von Samuel Hahnemann,
genannt „die Sonne von Meissen“,
besonders die Psora man heilen kann
mit dieser Methode, deren Bann
will das Übel bei der Wurzel ausreissen.
Er fand heraus: die Schulmedizin
kuriert nur herum an Symptomen.
Hat einer Fieber, wir geben Chinin –
es verschlimmerts die Krankheit, dann heilt es ihn,
und das mit drei, vier Atomen.
LORNSEN: Wo hat dieser Heiler seinen Verbleib?
PÉCHIER: Doktor Hahnemann lebt in Paris.
Und es lebt nicht allein sein vergreisender Leib,
er hat gefunden ein junges Weib,
ein Unsterblicher im Paradies.
Lange lag er in mühsamem Krieg
mit den dumpfen Doktoren,
hat erfochten stupenden Sieg
zu seinem Geburtstag spielt Klara Wieck,
ganz Europa spitzt die Ohren.
Damit ich zuordne das Simile,
das Ihr Leid erst verstärkt, dann behebt,
muss ich, so verlangt es mein Metier,
Sie fragen dürfen nach Ihrem Weh
und nach allem, was in Ihnen webt.
LORNSEN: Ach, Doktor Péchier, so fragen Sie doch,
ich will mich in alles schicken.
Fragen Sie mir in den Bauch ein Loch,
hoffentlich erleb ich es noch,
wird Ihnen die Zuordnung glücken.
Es ist aber leider, das sage ich gleich,
nicht so sehr das physische Leiden,
das mich getrieben hat her zu Euch
als einen Flüchtling, verachtet und bleich,
dass Ihr Euch an mir könnt weiden.
Es plagt mich eine furchtbare Schuld,
die niemand kann je beheben.
Ich habe verwirkt Gottes Geduld,
er hat mir entzogen seine Huld –
ich fürchte, ich darf nicht mehr leben.
PÉCHIER: Sie machen sich lustig – im Lockenkranz
Ihrer kaum mehr als vierzig Jahre!
LORNSEN: Ich bitte Sie, halten Sie Distanz,
denn ansteckend ist meines Leidens Substanz,
vor dem Sie Gott bewahre!
Eine üble Flechten-Dyskrasie
ist es, die mich beschwert.
Seit Jahren plagt bis zur Agonie
sie mich – und ich gebe sie
jedem weiter, der mit mir verkehrt.
Denn sie ist aufs äusserste kontagiös,
vor allem durch den Husten,
sie macht die Knochen, die Haut porös,
es ist eine Seuche, so skandalös –
Verzeihung, ich muss mich verpusten.
ERZÄHLER: Es schwieg auch der Homöopath Péchier,
sah seinen Patienten da hocken.
Seine Haut war braun wie gebadet in Tee,
seine Augen warn blau wie die offene See
und goldblond warn seine Locken.
Der Reisige auf dem Rücken trug
einen fellbedeckten Affen.
Und abgesehen von dem leidenden Zug,
der zusätzlich in Bann den Doktor schlug,
schien er zu Grossem geschaffen.
Was für ein Bild von einem Mann!
dachte der Mediziner.
Was für ein fürchterlicher Tyrann
hat ihn geknechtet – warum und wann?
und den Herrn erniedrigt zum Diener?
LORNSEN: Es gab einen Menschen in der Ferne dort,
der war mir der liebste von allen.
Das war meine Schwester, die an ihrem Ort
bescheiden lebte, bis dass sie der Mord
durch mich hat angefallen.
Ich habe sie über alles geliebt,
doch Gott kannte kein Erbarmen.
Er wies mich nach Rio, da war sie betrübt,
ich aber habe die Schandtat verübt,
zum Abschied sie zu küssen, zu umarmen.
Da stand sie in ihrer friesischen Tracht,
den Todeskeim auf den Lippen.
Ich habe in Rio wohl jede Nacht
an Erkel in Morsum auf Sylt gedacht,
die vom salzigen Tod musste nippen.
Mein Vater schrieb mir, eisern und stur:
Erkel ist dick wie eine Bouteille!
Da brach auf der Stelle ich ab meine Kur,
nahm das nächste Schiff, das nach Europa fuhr,
und landete in Marseille.
In Genf lag Post auf der Posthalterei –
ich wanderte aufwärts die Rhone.
Mir war, als ob mein Schuhzeug mit Blei
bis obenhin ausgegossen sei –
was war ich für ‘n müder Teutone!
Da lag nun der Brief – und Erkel war tot,
und alles war gewesen vergebens.
Warum das Weggehn, die Einsamkeit, Not?
Warum ihr Sterben im Kindbett rot?
Was ist noch der Sinn dieses Lebens?
PÉCHIER: Wie lange nach Ihrer Abreise ist
Ihre Schwester schwanger geworden?
LORNSEN: Drei Jahre habe ich sie vermisst,
dann hörte ich, dass sie schwanger ist
und brach wieder auf in den Norden.
Auch in Brasilien hab ich gewiss
eine Spur des Todes gezogen.
Ich lebte in einsamer Bitternis
und hab, um zu meiden die Nemesis,
mit kaum jemand Umgang gepflogen.
Doch zu bekämpfen das üble Geschwür,
das ich in mir fühlte wuchern,
besuchte ich Bäder – 80 Grad Réaumur,
ich schwitzte, kasteite mich für und für –
und plauderte mit den Besuchern.
Wie konnte ich nur so ahnungslos sein,
vertraulich mit ihnen zu reden?
Mein Atem, mein Speichel übertrug die Pein,
unsichtbar trag ich das Zeichen des Kain,
bin ausgestossen aus Eden.
Der Zeitung entnehm ich, dass Diphterie
die Bevölkrung von Rio heimsuche.
Diphterie, sagen sie,
doch es ist Dyskrasie
und beruht auf des Friesen Fluche.
PÉCHIER: Ich danke Euch für Euern Bericht,
doch was Ihr habt, ist die Psora.
Die Psora hält schwer über ihr Opfer Gericht,
aber ansteckend, ansteckend ist sie nicht,
diese Plage aus der Büchs der Pandora.
Mal ergreift sie Gelenke, und mal die Haut,
oft schädigt sie Darm oder Nerven.
Sie ist des Teufels hässliche Braut,
sie konserviert, was sie zerkaut,
wer sie hat, muss sich ihr unterwerfen.
Denn wenn sie uns sicher zu haben glaubt,
dann lockert sie ihre Strenge.
Das Simile schraubt
sich dann tief in ihr Haupt,
es verlieren die Kraft ihre Zwänge.
Zwar macht sie die Haut ihrer Opfer fahl,
setzt ihnen Flecken ins Gesicht –
sie ähnelt schon mal
der Syphilis Qual,
doch ansteckend ist sie nicht.
LORNSEN: Ich bitte Euch, Doktor, ich flehe Euch an:
Glaubt mir, sonst helft Ihr verderben!
Ich hab sie ermordet Frau und Mann,
wenn Ihr so klug seid, sagt mir: Woran
musste Erkel im Kindbett sterben?
Und warum halten jetzt alle so still,
was ist das für ein grässliches Schweigen?
Es ist das Schweigen des Todes. Ich will
es nicht mehr hören, es gellt mir so schrill
in den Ohren wie verstimmte Geigen.
Meine Schwester tot! Mein Vater tot!
Und all die Sylter Verwandten!
Die Freunde tot und auf Charons Boot,
ermordet durch meines Übels Gebot,
und Hunderte von Bekannten!
Daraus gibt es doch nur einen Schluss:
ansteckend ist, was mich plagt!
Tödlich wie auch der Judaskuss
ist der morbus dithmarsicus,
was immer Ihr dazu sagt!
Ich war einmal ein berühmter Mann,
viele suchten die Näh meiner Würde,
sie alle nun nichts mehr retten kann,
ich hab sie getötet mit eklem Bann,
und bin mir selbst zur Bürde,
ja, ich muss befürchten, dass zu tief
das Übel schon hat eingewurzelt.
Warum ziehen Sie das Gesicht so schief?
Riechen Sie ihn, den Flechten-Mief?
O wär ich ins Nichts längst gepurzelt!
Und Doktor, rettet, hört, was ich sag,
mein letztes Opfer für Gottes Lohn:
In Genf fand ich Zuflucht in meiner Plag
bei Richard, einem Pfarrer von altem Schlag,
mit einem entzückenden Sohn.
Der war so vertraulich und kam zu mir,
mir war, als säh ich mich selber,
er drängte zu mir wie ein klein Tier,
fragt jeden Morgen: „Wie geht es dir?“
dann hustet er gelb und gelber!
O die Schande! das Elend! der grausame Fluch!
ich bitte Euch, rettet den Jungen!
Schlagt nach in Euerm dicken Buch,
rettet ihn, macht wenigstens den Versuch!
O Gott, gib mir Engelszungen!
ERZÄHLER: Péchier verstummt vor so viel Eloquenz,
er sinnt, es raschelt Papier.
PÉCHIER: Ich verordne Euch in höchster Potenz
Belladonna in geistiger Essenz,
täglich Tropfen viermal vier.
Vertraut der Verordnung und habt Geduld,
aufwärts gehts über Nacht!
Und übertreibt nicht Eure Schuld,
denn begangen habt Ihr kein einz’ges Insult
mit Vorsatz und Vorbedacht.
LORNSEN: Was macht das für einen Unterschied
für ein Werkzeug des Verderbens!
Hinter mir her eine Spur sich zieht,
die jeder Eingeweihte sieht,
eine Spur des Massensterbens.
Gebt her das Fläschchen! Ich nehme das Gift
nach homöopath’scher Methode!
Darauf ist geschrieben mit Tintenstift
für das Einnehmen die Vorschrift,
sei es zum Leben, zum Tode!

Wasserkante auf Sylt mit einem angeschwemmten Bündel; Lorensen und Wülfke von links, dann Erkel.
WÜLFKE: Mir war, als sähe ich Erkel hier –
sie ist doch schon Monate tot!
Sie lief auf und ab und schrie wie ein Tier
und rief immer wieder: „Uw, komm zu mir!“
und sah in der Ferne ein Boot.
LORENSEN: Ich schätze Sie, Wülfke, sehr,
als Arzt, als Menschen und Freund.
Mehr als einmal hab ich erlebt, dass das Meer
Menschen verwirrt, ihren Verstand kreuz und quer
durcheinanderwirft wie ein Feind.
Gerade wir Friesen stehen im Ruf
der Neigung zur Spökenkiekerei,
doch Sie als Arzt meines Sohnes Uw,
den Gott mir zu meinem Kreuz erschuf,
sollten davon bleiben frei.
Dass Erkel uns im Kindbett verstarb,
war ein Unglück – nicht mehr als das.
Dass der Verstand ihr vorher verdarb,
das zu vergessen, dafür warb
seit ihrem Tod ich fürbass.
Erkel, hochschwanger, barfuss, in einem grauen Kittel, von rechts.
Ich bitte Sie deshalb – Erkel soll ruhn,
zur Vogelkoje kehr ich zurück.
Es gibt dort eine Menge zu tun,
Krickenten fallen ein wie Taifun,
es sind bestimmt Tausend Stück.
WÜLFKE: Da ist sie wieder – dass Gott erbarm –
hält Ausschau nach ihrem Bruder –
das Antlitz gezeichnet vom tiefen Harm,
hebt sie jetzt winkend einen Arm –
und stolpert über ein Luder…
LORENSEN: Ich sehe nichts als Meer und Sand –
Sie sehen ein Gaukelbild! (ab)
WÜLFKE: Jetzt kniet sie nieder, und ihre Hand
dreht herum, was sie dort fand –
was ist es – was führt sie im Schild?
ERKEL: So hat das Meer dich endlich zurück
mir doch noch geben müssen.
Zwar bist du tot, doch zu deinem Glück
bin ich es auch; o wie gern ich mich bück
und bedeck dein Gesicht mit Küssen!
Wie konntest du deine Erkel so lang
allein in der Heimat lassen?
Ich bin gewesen so schrecklich bang,
hatte nach dir so furchtbaren Drang –
ach, hätt ich dich können hassen!
Und kennst du schon deinen süssen Spross?
Was ist das hier für ein Geschmuse!
Er ist klein und hat weder Bein noch Floss,
bewegt sich und nutzt weder Rad noch Ross –
eine glockenblumenblaue Meduse!
WÜLFKE: Ich bitte dich, Erkel, was sagst du von Uw?
das Kind war von Andres, deinem Gatten.
Du selbst, die Familie gerät in Verruf,
vertauschst du hier einfach Lee und Luv –
zahllos sind die hämischen Ratten!
ERKEL: Wie schön du bist, du lieber Mann,
nichts soll von dir mich trennen!
Ich leg mich an deine Seite, und dann
löst unsre Liebe des Todes Bann –
und gelöscht wird das ewige Brennen!
Zuhause hängt auf der Schneiderfigur
das Burschenkleid mit den Farben.
Ich will dir antun die fesche Montur
und mit dir lachen und tanzen nur –
ein Ende hat all das Darben!
WÜLFKE: Schau ihm doch nur in das schwarze Gesicht! –
Ich bitte dich, komm jetzt mit!
Der Tote ist dein Bruder nicht,
ich muss dich mitnehmen, es ist meine Pflicht,
es sind doch nur ein paar Schritt!
O bitte – was soll denn das Geschrei,
lass ihn los und denk an das Kind!
Ihn setzen wir als Namenlosen bei –
von denen hatten wir dies Jahr schon drei –
er ist nicht Uw! Bist du denn blind?
Erkel löst sich auf.
.Wo ist sie? Erkel! Wo bist du hin?
Warum nur konnte ich sie nicht retten?
Ist es so weit, dass ich durchgedreht bin?
Wo bist du hin, arme Wöchnerin?
Komm zurück! In Daunen wollen wir dich betten!
Nötig ists, dass ich den schwarzen Mann
auf dem Friedhof christliche begrabe.
Doch gerade denk ich daran:
Vielleicht ist er ein Muselman –
von der Grösse nur erst ein Knabe.
Aber wo ist der Leib? Und wo der Kopf?
Es ist nur ein Haufen Textilien!
Die Lumpen in den Kopf ich mir stopf –
was bin ich nur für ein armer Tropf!
Hab Dank, Uw – für den Gruss aus Brasilien!
Genf; Tisch mit Buch, zwei Stühle; Péchier und der Agent
AGENT: Die Genfer sind Republikaner, nicht wahr,
oder ob sie mir so nur erschienen?
Unter Euch sind die Royalisten rar,
doch gross ist der Jacobiner Schar,
und Jean Jacques war einer von ihnen.
PÉCHIER: Ich bin nur ein Arzt, mein Herr, und darf
dran erinnern: Politik liegt mir ferne.
Wenn Schmerzen Euch plagen, heftig und scharf,
bei jedem ärztlichen Beratungsbedarf
steh ich Euch zu Diensten gerne.
AGENT: Ich bin nicht gekommen als Euer Patient,
will Euch die Zeit aber vergüten.
Helft Ihr jedem? Diese Frage brennt
mir auf den Nägeln – auch wenn Ihr ihn nicht kennt?
Auch Verbrechern, abgebrühten?
PÉCHIER: Ich weiss nicht, wie Ihr dazu kommt,
mich indirekt anzuklagen.
ärztliche Hilfe jedem zukommt,
und einem Arzte es nicht frommt,
nach Wer und Woher zu fragen.
Nennt einen Namen! Wem hätte ich wohl,
der ein Verbrecher wäre,
gerettet das böse Leben frivol,
dass er weiterhin missbraucht das Mörderpistol,
und befleckt dadurch meine Ehre?
AGENT: Uwe Jens Lornsen ist Euer Patient,
der scheinliberale Friese.
Er ist der gefährlichste Skribent,
der frei in Europa herumrennt,
nicht nur äusserlich ein Riese.
PÉCHIER: Und Ihr nehmt Euch das Recht heraus,
diesem Manne nachzuspüren?
Verfolgt ihn bis hierher in mein Haus –
seid Ihr die Katze? Er ist die Maus?
Das kann ich nicht tolerieren.
Ich muss bei der Genfer Polizei
Euch leider zur Anzeige bringen.
Die Republik Genf ist rechtlich und frei,
hier dulden wir keine Ausspäherei,
das Wildern und Legen von Schlingen.
ERZÄHLER: Lächelnd der Herr seinen Namen nennt,
nimmt ab den schwarzen Zylinder,
weist sich aus als geheimer Agent
durch kaiserlich-östreichisches Patent
und rückt zurecht seinen Binder.
Auch legt er vor eine permission
der Genfer Staatsanwaltschaft,
nachzugehn in aller discrétion
seinem Auftrag, seiner raison,
in der genevischen Stadtschaft.
AGENT: Im Auftrag des Kanzlers Metternich
muss ich Uwe Jens Lornsen beschatten,
er gibt sich als Bürger,
doch ist er ein Würger,
dem man Freiraum nicht darf gestatten.
Er trägt eine Krankheit mit sich herum,
die Krankheit, sie heisst Gewalt.
Gewalt ist sein Evangelium,
doch verbirgt ers, denn er ist nicht dumm,
in sanfter Mäss’gung Gestalt.
Wir hatten andre wie den wütenden Klügler –
er gehört, gottlob, zu den Toten,
ein Betrüger und Lügner –
er hiess Georg Büchner,
der in seinem Hessischen Landboten
offen aufrief zur Revolution,
verhetzte die armen Bauern,
doch seine Agitation
soff ab im Hohn
auf Mächte, die überdauern.
Lornsen ist ganz das Gegenteil,
und er schreibt keine Verse:
Er zielt ohne Eil
und schiesst seinen Pfeil
Achilleus in die Ferse.
Mit seiner Schrift zum Verfassungswerk
des Landes Schleswigholstein
hat er (ein Rousseau schreibt die Briefe vom Berg)
aller Deutschen und Dänen Augenmerk
gelenkt auf das Doppelland klein.
Zwar liegt es an Deutschlands äusserstem Rand,
doch wieviel man auch unkt,
Der Sohn eines Walfängers hat erkannt:
Wer Schleswigholstein hat, hat Deutschland,
es ist der archimedische Punkt.
Von hier kann er aus den Angeln heben
den ganzen deutschen Bund,
der Monarchie eine Watschn geben,
offen nach Freiheit und Menschenrecht streben
und wuchern mit seinem Pfund.
Die Schrift hat die dänische Monarchie
bis in die Grundfesten erschüttert,
sie bricht alle Rechtsfragen übers Knie,
ist voll schneidender Ironie:
dieselbe Hand tötet und füttert.
Lornsen weiss: Das politische Himmelreich
überlässt man besser den Spatzen.
Um zu brechen den stärksten Deich,
ihn zu machen dem Erdboden gleich,
muss man nur am richt’gen Ort kratzen.
Und deshalb bitte ich Euch, Herr
Doktor, so hochgelahrt:
Bedenkt, Ihr kuriert einen Revolutionär
ohne Glauben und Ehrfurcht, ja, ohne Ehr,
den vor Schlimmerm der Tod nur bewahrt.
PÉCHIER: Ich vermisse in Euerm langen Sermon
einen Hinweis auf ein Verbrechen.
Ich sage Euch noch mal: Es wäre ein Hohn
auf meine ärztliche Profession,
wollte ich mich erfrechen,
ihn zu strafen für etwas, das ich nicht weiss,
wohl gar für politische Meinung.
Ich sage Euch: Ohne klaren Beweis
für ein Verbrechen macht Ihr mich nicht heiss,
hört Ihr von mir nur Verneinung.
AGENT: Die Sache hat einen gewissen Hautgout,
wie gern liess ich es sein Bewenden
haben damit: Des arglosen Kotzebue,
Komödiant, braver Bürger noch dazu,
Blut klebt an Lornsens Händen.
PÉCHIER: Der Mörder war ein gewisser Sand,
das weiss man auch hier in Genf.
Und Kotzebue war nicht nur Komödiant,
er war auch wie Sie ein Defraudant,
und nun sparen Sie sich Ihren Senf.
Ich habe nicht länger Zeit für Sie,
Meine Patienten werden ungeduldig.
Monsieur Lornsen leidet an Melancholie,
ich werde ihn heilen, herausfinden, wie,
und mache mich nicht an ihm schuldig.
Nehmen Sie Ihre Briefschaften mit –
sie sind an Lornsen gerichtet?
Ich hoffe, Sie stellen sie ihm zu,
meinen es ehrlich, lassen ihn in Ruh,
bis konkreter Verdacht sich verdichtet.
Der aus Kiel von einem Hegewisch
der von einer Sylter Adresse –
o bitte, nehmen Sie sie vom Tisch,
Sie Hüter der Ordnung, Sie giftiger Fisch,
bevor ich mich vergesse.
Auf den Judaslohn aber verzichte ich,
Ihr könnt ihn gerne behalten.
Sagt Euerm Fürsten Metternich,
das Rad der Geschichte drehe sich,
er werde es auch nicht aufhalten.
Vandoeuvres; Grabkreuze; Lornsen mit Rucksack, dann der Agent
LORNSEN: Die Orgelklänge aufwärts steigen –
wie lange nicht vernommen!
Ach, könnt ich mich beugen,
Glauben bezeugen,
zusammen mit anderen Frommen!
Der Agent wird sichtbar.
Doch in Jena nach langem Ringen,
war es entschieden und klar:
kein Glaube sollte mich zwingen,
zur Tat wollte ich mich aufschwingen,
mich selber bringen dar.
Die Gedanken des tatfrohen Fichte
nahmen mich ganz in Besitz.
Egal ob ich richte,
versöhne, vernichte –
des absoluten Ich göttlicher Blitz!
Wer sind Sie? Was treten Sie mir so nah?
Ich kenne Sie nicht, habe Sie bei
Gott nie gesehen. Oder sah
ich Sie auf Sylt? In Amerika?
In der Kopenhagner Kanzlei?
Warn Sie’s nicht, der mir auf Sylt empfahl,
zu gehn ins polit’sche Exil?
Mir drohte mit einer Zunge aus Stahl
und sagte, ich hätt keine andere Wahl,
und mir setzte Rio zum Ziel?
AGENT: Ich bin nur ein einfacher deutscher Mann
und Verehrer Ihres Genies.
Bitte sagen Sie mir: Wann endlich, wann
kehrn Sie zurück aus Ferne und Bann –
wann dürfen wir hoffen dies?
LORNSEN: In Deutschland brauchen sie mich nicht,
da sind sie am Erbsenzählen.
Da hat meine Feder kein Gewicht.
Warum verziehen Sie das Gesicht?
Sollte mein Geruch Sie quälen?
Verzeihung, wenn ich Sie anstarr –
ich hab ein kontagiöses Leiden.
Eine wuchernde Flechte, aggressiv und bizarr,
schlägt auf die Membranen und führt zum Katarrh,
Sie wollen es mir nicht ankreiden.
AGENT: Woran Sie leiden, das ist die Glut,
die brodelt in Ihrer Seele.
Vergossnes und unvergossnes Blut,
gestillte und ungestillte Wut –
Sie leiden an diesem Fehle.
Unterwerfen Sie sich Gottes Wort,
schwören Sie ab Ihrem Stolze.
Dort in der Kirche ist der Ort,
der Erlösung heiliger Hort,
doch Sie sind aus zu hartem Holze.
LORNSEN: Sie haben mich wunderbar durchschaut
mit schlichten und einfachen Sinnen.
Ich habe nur auf mich selber gebaut
und lange schon nicht mehr auf Gott vertraut –
von vorne will ich beginnen!
Geht in die Kirche.
AGENT: Er fange nur von vorne an,
nur um so schneller stürzt
in den Abgrund er, dem keiner kann
entrinnen, der einmal Mann gegen Mann
mit Gewalt sein Dasein gewürzt.
Und war er auch nur naher Freund jenes Sand,
der Kotzebue erstochen,
so ist doch besudelt von der Schand
auch seine weisse Juristenhand,
auch er hat Blut gerochen!
Den Sand, den haben wir geköpft –
das war ein schwerer Fehler.
Aus seinem Mörderblute schöpft
der Liberalismus aufgekröpft
die Kraft seiner Krakeeler.
Das ist die kreischende Freiheitspartei –
der Mensch ist zur Freiheit verdorben.
Auch über uns machen sie ein grosses Geschrei,
doch sind sie an der Macht, wird die Geheimpolizei
ganz schnell wieder angeworben.
Herumstehn und warten, ist der Beruf
von einem wie mir, einem Spitzel.
Natürlich geschieht es zu gutem Behuf,
und steht man auch nicht grad im besten Ruf,
man hat doch den Nervenkitzel.
Mein Vetter, der war bei der Polizei,
und kurz bevor er gestorben,
da hat er gesagt mir so allerlei:
Verbitter doch nicht in der Sägerei –
und hat mich angeworben.
Von Haus aus bin ich nämlich nur
einer, der Baumstämme schneidet.
Jetzt aber, als Metternichs Kreatur,
drehe ich mit an der grossen Uhr,
die den Gang der Geschichte entscheidet.
Da kommt er zurück, mein Kandidat –
es ist ihm, scheints, gut bekommen.
Jetzt soll akkurat
doch aufgehn die Saat
zu der Ordnung Nutzen und Frommen.
Sie sind ja lebendig wie ein Fisch –
sagen Sie, was Sie getrieben!
LORNSEN: Ich bin gegangen zu des Herrn Tisch,
das hat mich umgeschaffen frisch –
mir ist nach leben – und lieben!
AGENT: Ich freue mich herzlich mit Ihnen aus
Gründen, politisch geeicht.
Doch denke ich grade daran mit Graus:
Ist dies nicht ein lutherisch Gotteshaus,
wo auch der Kelch wird gereicht?
LORNSEN: Aber ja, das ist selbstverständlich doch,
was wollen Sie damit sagen?
AGENT: Was war es, was vorhin ich roch?
Und sprachen Sie nicht selber noch
von gewissen ansteckenden Plagen?
LORNSEN: Sie meinen… Um Himmels Willen! Ich Tor!
Wir tranken aus einem Kelche!
Da kommen sie aus der Kirche hervor –
die Gesichter verzogen – ein hämischer Chor –
dem Tode geweiht – o welche
Strafe denkst, Himmel, du noch für mich aus?
Machst mich zur wandelnden Seuche!
Ich bitte Sie – gehen Sie nicht nach Haus –
hörn Sie mir zu – zwar rede ich kraus –
seh aus wie ne Vogelscheuche…
Ich hab Sie unwillentlich angesteckt –
ich bitte Sie – hörn Sie mir zu!
Ich habe Sie mit meinem Übel befleckt –
in wenigen Wochen sind Sie verreckt –
ich bitt Sie – ich find keine Ruh,
bevor Sie nicht aufsuchen Doktor Péchier,
dass er Sie schleunigst behandle,
bevor es wuchert, das tückische Weh
und Sie treibt in der Leiden See,
durch die ich seit Jahren wandle!
Die Kirchenbesucher gehen wortlos ab.
Wie oft, wie oft schon hab ich geglaubt,
das Übel wär ausgerottet.
Habe geschwitzt, gehungert, gedarbt,
bin von tausend Qualen genarbt,
hab mich doch nur selbst vergottet.
Ich selber, ich bin das Übel, ich –
es lässt sich nur besiegen,
indem ich selber ausrotte mich,
wegwerf mein Leben kümmerlich
und aufhör, mich selbst zu betrügen!
AGENT: Warum so geknickt? O jemine!
Wünschen der Herr Begleitung?
Lornsen geht ab.
Du wundervoller, berühmter See,
jetzt wäre es Zeit für einen Kaffee,
einen Flirt – und die neueste Zeitung!
Pressy; Hütte mit Fenster; Schnee; Marguérite mit Tablett vor dem Fenster, später Lornsen
MARGUÉRITE: Ich bringe dem Mieter eine baguette
und Milch – er muss trinken und essen.
Ich stelle ihm meistens das Tablett
hier ins Fenster; doch er liegt wohl im Bett,
hat es anzulehnen vergessen.
Nein, da sitzt er – gehüllt in die Trikolore,
die ich ihm heut hab gegeben.
Jetzt nimmt er sich eine Lektüre vor,
wirft sie weg, schaut flehend zum Himmel empor –
ringt die Hände, will sich erheben,
sinkt kraftlos zurück, sinkt in sich zusammen,
was hast du denn nur, du Mann?
Die Arme sind bedeckt mit Schrammen –
nimmt ein Messer, will ins Bein es sich rammen,
tut es – und tritt jetzt heran.
Polternd ist ein Stuhl umgefallen; Lornsen wird sichtbar, stöhnt, schreit, Marguérite drückt sich an die Wand.
LORNSEN (drinnen am Fenster):
Ach, ach! Göttlicher Trost!
Wirst du mir jemals werden?
Wen ihr einmal verdammt und verstosst,
wem ihr den Hauptgewinn auslost,
der wird überflüssig auf Erden.
O sie ist tot, die einzige tot,
die jemals mich konnte retten.
Bei ihr allein endete all meine Not,
sie wars, die mir freundlich die Schulter bot
und mir löste die Ketten.
Ach, wenn sie nur durch das Zimmer ging,
war ich nicht mehr allein.
Meine Krankheit nannte sie hillig ding –
ihre Bildung war leider nur sehr gering,
doch war sie Sockel von meinem Dasein.
Hier habe ich noch das Kaffeebrett
Hut und Schuhe, um die sie gebeten.
Wie gern sie tanzte auf weissem Parkett
und mit mir ausmass das Riesenbett –
nun ist das nicht mehr vonnöten.
Jetzt aber bin ich für immer verdammt,
für jede Gnad unerreichbar.
Ich taumle dahin, vom Wahnsinn durchflammt,
die Kleider zerrissen, die Schuhe verschlammt,
dem Ewigen Juden vergleichbar.
O Gott, wann endlich rufst du mich?
Was soll ich mehr noch tragen?
Warum nur krallt das Leben sich
an diesen Leib so inniglich –
ich muss etwas Stärkeres wagen!
Er verschwindet im Innern der Hütte.
MARGUÉRITE: Es muss sein, bevor noch Schlimmres geschieht,
ich muss an die Hüttentür pochen!
LORNSEN: Bleiben Sie draussen, Marguérite,
ich habe auch gar keinen Appetit!
MARGUÉRITE: Aber Sie sind nur noch Haut und Knochen!
Sie müssen doch etwas essen, parbleu,
Sie fallen sonst völlig vom Fleisch!
Es ist zwar nur Brot, en faute de mieux,
ich bitte Sie, bleiben Sie, Monsieur –
nichts Böses ich doch erheisch!
Lornsen kommt heraus, mit Rucksack, die zerschlissene und besudelte Trikolore hinter sich herschleifend.
LORNSEN: Ich bitt Sie: Kommen Sie mir nicht zu nah!
Es könnte Ihr Ende bedeuten.
Es geht von mir aus ein gift’ges Miasma,
eine Art stiller Cholera,
die Verhängnis war vielen Leuten.
MARGUÉRITE: Als Kranker aber gehörn Sie ins Bett
und nicht in die eisige Nacht.
Seien Sie deshalb so nett,
nehmen Sie das Tablett,
und was ich ihnen hab gebracht.
Und wenn Sie’s nicht Ihretwegen tun,
dann tun Sie’s bitte für mich.
Sie werden genesen, wenn Sie nur ruhn,
bitte kehren Sie um, gehorchen Sie nun,
und seien Sie nicht widersetzlich.
LORNSEN: Zu spät kommt so anmutiger Befehl,
zu spät, um mich noch zu erreichen.
Es ist sinnlos, dass ich weiter mich quäl
und anderen Menschen das Leben stehl –
versuchen Sie nicht, mich zu erweichen.
Ich gehe jetzt feiern ein schönes Land,
das keiner je hat gesehen.
Es schläft wie Atlantis unbekannt
im Reich des Möglichen als ein Elefant,
den umwirft das leiseste Wehen.
Mein Bettzeug aber, ich sag‘s Ihnen frank,
müssen Sie verbrennen, leider.
Denn wer es benutzt, wird unfehlbar krank,
Sie werden bemerken den Flechten-Gestank –
dasselbe gilt für meine Kleider. (ab)
MARGUÉRITE: So bewegen sich Marionetten…
Vater – bist du zu Haus?
Er muss ihn retten –
vom Wahnsinn entketten –
er schwefelt heut Fässer aus!
Pressy; ein Fass, Marguérite und Penard
MARGUÉRITE: Ich bitte dich, Vater, lass das Fass,
geh ihm nach, dem Ärmsten auf Erden.
Was er leidet, geht über alles Mass,
seine Kleider waren von Blut ganz nass –
es kann bald nicht mehr schlimmer werden.
Mit dem Messer hat er die Schenkel geritzt,
vielleicht gab der Arzt ihm den Rat?
Die Arme hat er sich aufgeschlitzt,
sein Geist ist wild und sehr erhitzt,
er braucht deine helfende Tat!
PENARD: Glaubst du, dass man ihm noch helfen kann
bei so heftigen Leiden, so schrillen?
Wenn einmal nicht mehr will ein Mann,
rettet ihn nichts mehr, es ist besser dann,
man lässt ihm seinen Willen.
MARGUÉRITE: Vergiss nicht Vater, ich bin dein Kind,
o bitte, hinaus es nicht schiebe!
Die Dummen immun gegen Leiden sind,
ihn aber beugt auch ein schwacher Wind.
Tus Marguérite zuliebe!
Ich bitte dich, rette den kranken Mann,
ich will ihn lieben und pflegen.
Er taumelt entlang seine Lebensbahn –
noch nie konnt ich einen so völlig bejahn –
ich will ihn zum Leben bewegen.
PENARD: Ich gehe ihn suchen. Ging er zum See?
Welchen Weg hat er genommen?
MARGUÉRITE: Das ist seine Spur im letzten Schnee,
Er begab sich fort in Richtung Labaye,
murmelnd, verwirrt und beklommen.
Und was du dort siehst, das ist die Spur,
der Fahne, die er hinter sich schleifte.
Seine Gedanken kreisen in krauser Mixtur
um diesen einen Mittelpunkt nur –
um einen Staat, der nie reifte.
Die Fahn hat verloren jeglichen Glanz,
ist mit Blut und Asche befleckt.
Er hatte sie um sich geschlungen ganz
und in ihr vollführt einen grausigen Tanz
und das Messer hindurchgesteckt.
Ein Pistol lag auf seines Zimmers Kamin –
vergebens suchts jetzt mein Blick.
Eile dich Vater und rette ihn,
bevor die Schmerzen hinab ihn ziehn,
von dort kehrt keiner zurück! (Penard ab)
Wie kannst du schaffen, du furchtbarer Gott,
klugen, kraftvollen, schönen Mann –
und dann ihn preisgeben Hohn und Spott,
ihn treiben in den innern Bankrott –
was hat er dir angetan?
So sanft war er, so bescheiden, so still,
zufrieden mit Milch und Brot.
Wenn abgemessen ist alle Unbill,
gib mir seinen Anteil, Himmel, ich will
gern hinnehmen all seine Not.
Noch einmal muss er wie ein kleines Kind
Vertrauen trinken aus Brüsten,
die ihm zärtlich zugewandt sind,
mit Liebe ihn tränken, nicht mit Hasses Absinth,
für ein Ja zum Leben ihn rüsten.
Bei Labaye; Steine, Lornsen mit Rucksack und Trikolore, dann Lorensen als dänischer König, Nacht.
LORNSEN: Ehre, Freiheit Vaterland…
Wie schal ist mir all das geworden!
Ausgehöhlt sind sie, sagt mir der Verstand,
von Sturm und Wasser zerrieben zu Sand
wie das Rote Kliff hoch im Norden.
Lorensen kommt mit einer Krone auf dem Kopf.
Mit ner Kugel aus Gold zog ich einmal los,
die Völker der Welt zu befreien.
Vertauschte sie gegen nen irdenen Kloss,
jetzt hab ich grad noch die eigene Hos
und muss bei Freunden leihen.
Wer bist, was willst du? Schaust mich an?
Du bist es – Dänemarks König!
Ich habe dir nie etwas Böses getan,
ich bitt dich, verschwinde, grinsender Wahn,
sei rücksichtsvoll ein wenig!
Jetzt holt er ein blitzendes Messer hervor
und richtet es auf meine Brust!
Ich hab das schleswigholstein’sche Ressort
bearbeitet lange in deinem Kontor –
und du hast von allem gewusst:
Dass ich mitgegründet die Burschenschaft
und war ein deutscher Patriot.
Dafür hab ich dann in Festungshaft
eingebüsst meine letzte Kraft –
die Cholera hat mich bedroht.
Nicht ich das Messer gezogen hab,
du zücktest es auf mich!
Warum wirft er jetzt den Mantel ab,
die Kron fällt zu Boden mit lautem Geklapp –
o, jetzt erkenne ich dich!
Vater, was soll der Mummenschanz?
willst in Wahnsinn mich treiben?
Als ich griff nach dem Lorbeerkranz,
gebeten hab die Dänen zum Tanz,
wollt ich nicht gegen dich schreiben.
LORENSEN: Was hab ich nicht alles schon getan,
um dich zur Vernunft zu bringen!
Das alles fing mit Haiti an,
sie sollten von dir ne Verfassung han,
dann wolltest du dich verdingen,
die Griechen vom türkischen Joch zu befrein –
zum Glück hast du‘s mir enthüllt.
Der Höhepunkt war es vom Trotze dein,
als du gegen mein ausdrückliches Nein
dich liessest machen zum Landvogt von Sylt.
Ungern und gar nicht hast du gehört,
dabei war ich ein guter Berater.
Von eitlen Lehrern geistig betört,
hast du dir selber dein Leben zerstört –
und auch das von Schwester und Vater.
Ich war in Paris, als ungeheuer
der Volkszorn zerbrach die Bastille.
Damit alles neu und neuer
wird, spieltest du mit dem Feuer
und tanztest mit dem Teufel Quadrille.
LORNSEN: Ich tat es doch nur fürs Vaterland,
für Freiheit und Ehr, nicht Gewinn.
Denn das deutsche Volk ist zwar ein Gigant,
zerstückelt jedoch zugleich und entmannt –
zur Nation soll es finden hin.
LORENSEN: Eine Krankheit des Hirns ist deine Nation.
Bin nicht Deutscher, nicht Däne, bin Friese.
Wir haben gelebt als braver Kanton
in Frieden unter der dänischen Kron
– verzeih mir – ich brauche eine Prise!
LORNSEN: Ich bitte dich Vater, schau mich an,
gib mir deinen väterlichen Segen.
Vergib mir, was ich dir angetan,
vergib mir der Schwester Leiden und Wahn,
noch bleibt mir Zeit, mich zu regen.
LORENSEN: Den Segen, Sohn, verweiger ich dir,
du stehst mit dem Ungeist im Bunde.
Niemals vergess ich, was du mir
und, schlimmer noch, angetan hast ihr,
von mir aus gehe zugrunde! (ab)
LORNSEN: Wenn es mir denn am Segen gebricht,
werd ich auch ohne auskommen.
Ich strahle einfach im eigenen Licht,
bin selber mir Sonne, benötige nicht
den dummen Segen der Frommen.
Ich werde ich sein und schaffen das Reich,
und sei es mit Metzgerhänden.
will waten durch blutigen Tränenteich,
prüfen mein Eisen an allem, was weich,
und gewaltsam mein Schicksal wenden.
Mein Wille geb dieser Welt das Gesetz,
sie sei das Wild, ich die Meute.
Und wie die Enten zappeln im Netz,
wenn ich in die Kojenpfeife sie hetz,
fallen sie mir alle zur Beute.
Und wenn das Reich dann zugrunde geht
in uferlosen Schlachten,
soll draus erwachsen, was keiner versteht,
wie ein blutigrot schweifender Komet
ein Mörderstaat, der verachten
und mit Füssen jedes Gesetz treten soll
als Beispiel des absolut Bösen.
Und hat er dann voll
sein Mass, soll der Groll
der Welt ihn vernichtend erlösen!
Erkel, nicht mehr schwanger, kommt aus dem Nebel.
Besudelt mit Blut, verloren die Ehre,
steht er wie ich vor dem nichts.
Wie oft hab am Meere
ich die innere Leere
gespürt als Brand des Gesichts.
ERKEL: Ich bitte dich, kehr endlich heim,
es ist so kalt hier ohne dich.
Ich bringe dir dar des Lebens Keim –
er sei des zerbrochenen Daseins Leim –
nimm in die Arme mich!
Es soll doch unserer Liebe Spross
nicht vaterlos beginnen!
Ich fliege wie ein Albatros
und suche meinen Herzgenoss
mal buten und mal binnen.
LORNSEN: Woher kam diese süsse Stimm –
das war doch Erkel, sagt!
Bin ich denn nicht noch immer im
Kanton von Genf, und in mir schlimm
das Übel wuchert, nagt?
Dort in der Ferne überm See –
im schwarzen Friesenschnitt –
ich komme, Erkel, bring, juchhe!
dir auch das Brett für den Kaffee,
nen Hut und Schuhe mit!
Er holt die Dinge aus dem Rucksack, zeigt sie ihr.
ERKEL: Ich nehme dich auch ohne all das,
bist du nur selbst dabei.
Wie siehst du aus so totenblass,
gibt niemand dir denn mal ein Glas
Rotwein geschlagen mit Ei?
O komm, du Lieber, in mein Haus,
hier kann uns nichts mehr trennen.
Hoch über allem Sturmgebraus
ruhn miteinander wir uns aus
von allem Brennen, Rennen.
Dort liegen wir wie im Riesenbett
wohl in den Sylter Dünen –
die Mutter lädt uns zum Bankett, (Musik)
wir tanzen und walzen auf weissem Parkett,
ein Volk unbeherrschbarer Hünen.
LORNSEN: Wie teuer ihr mir immer seid,
ihr Farben Schwarz-Rot-Gold.
Ist überwunden erst das Leid
und alle Ungerechtigkeit,
dann leuchtet sanft und hold!
Im Schwarz des Vaterlandes Erd,
gedüngt mit tausenden Toten,
auf dass nun endlich Frieden werd,
man lebe besonnen, zum Bessern bekehrt
und ehre der Fremde Boten.
Im Rot das Menschenblut dampf auf,
das sinnlos wir vergossen
in unsres Wahnsinns Amoklauf,
in Hass und schwitzendem Geschnauf
von Freunden und Genossen.
Im Gold des Weizens Farbe strahlt,
die Ehre, zurückerrungen,
es hat sich endlich ausgeprahlt,
genug hast Busse du gezahlt,
sei, liebes Volk, umschlungen,
und lebe friedlich in der Mitt,
hör nachbarlich-freundliche Grüsse.
Wo einer aber Unrecht litt,
für Bestrafung der Täter eintritt,
dem Opfer hilf auf die Füsse!
Ich komme, Erkel, komm zu dir,
will nie dich wieder lassen!
Ich komme hinaus bis auf die Pier –
den Fahrschein hab ich hier bei mir –
Er nimmt das Pistol aus dem Rucksack.
lass deine Hand mich fassen! (Beide ab)
Der Agent von links, Penard von rechts.
PENARD: Haben Sie wohl einen Mann gesehn
mit schwarzrotgoldenem Tuche?
Er ist verwirrt, es kann geschehn,
dass er beschliesst, ins Wasser zu gehn –
seit einer Stund ich ihn suche.
AGENT: Ich glaube, er ging hier entlang,
vom See fort Richtung Vandoeuvres.
Auch ich bin um ihn nicht wenig bang,
ich kenne ihn nämlich schon recht lang,
bin Bewunderer seines Oeuvres.
Hier hätte ich noch ein paar Briefe für ihn,
wenn er ihm die mitnehmen würde!
Ich brauchte nicht weiter ihm nachzuziehn,
er scheint mich, ich weiss nicht, warum, zu fliehn,
Er entledigte mich einer Bürde.
Penard mit Briefen ab.
Nun mach schon, Lornsen, mach endlich Schluss
mit deinem verpfuschten Leben!
Dein Drängen ins Grosse, dein Idealismus
haben bereitet nur Verdruss,
und wahnhaft war all dein Streben.
Schleswig und Holstein werden dänisch bleiben,
dir aber wär besser geraten,
dich flugs zu beweiben,
statt dich zu entleiben
und ins eisige Wasser zu waten.
Deutschland wird bleiben ein matter Kloss,
machtlos, für jeden zu haben.
Dein mutiger Schuss ging nach hinten los,
machte dich heimat- und arbeitslos,
angewiesen auf milde Gaben.
Ein Schuss in der Ferne.
Nun ist es vollbracht, und gefallen ist
der Führer ohne Kolonnen.
Ich war dir ein anständiger Polizist –
du wirst mir fehlen, Idealist –
ich hab dich fast liebgewonnen!
ERZÄHLER: Sprach er und reiste umgehend nach Wien,
Kanzler Metternich Bericht zu erstatten.
Er schlüpft in Metternichs Jacke.
Ihr habt, mein Lieber, unauffällig und kühn
gearbeitet und beseitigt ihn,
die gefährlichste der nagenden Ratten.
Er gehörte zu der Freiheit rasendem Tross
und war mit Gewalt infiziert,
war des Karl August Sand Intimus und Genoss,
des Verrückten, der Kotzebue erschoss,
gefährlich und hochmotiviert.
Dafür verleiht Euch der deutsche Bund
seinen allerhöchsten Orden.
Denn einen guten Hund,
der nie fragt nach dem Grund,
den belohnt man für braves Morden.
Er legt Metternichs Jacke ab.
ERZÄHLER: Es war aber grade vor Fastenzeit,
und herüber von Aubonne
kam ein Trupp Masken in buntem Geschmeid,
jede gehüllt in ein Lumpenkleid,
in schmetternder, trunkener Wonne.
Und unter der nassen Trikolore
des Lands, wo regieren die Narren,
grölten sie in heiserem Chor,
zogen daher mit Lärm und Furor
auf einem Eselskarren.
Masken kommen mit Karren, gefolgt von Marguérite.
MASKEN: Herunter die Köpfe
und an die Laterne,
herunter die Zöpfe,
die Uniformknöpfe,
und in die Taverne!
MARGUÉRITE: Gebt her die Fahne – sie gehört ihm!
Ihr dürft sie ihm nicht entführen!
Ich entreisse sie dem närr’schen Regime,
denn was sie dort treiben, ist nicht legitim –
wie konnte er sie verlieren?
MASKEN: Schwarz, Rot und Gold
sei unser Panier!
Jeder Trunkenbold
entrichte den Sold
auf seine Manier! (alle ab)
Sylt, Dämmerung, Rand einer Vogelkoje; Lorensen, dann Wülfke mit Brief.
WÜLFKE: Wenn ich dran denke – was für ein Mann –
Lord Byron war nichts dagegen!
Kein anderer flammender reden kann –
wie er mit leuchtenden Augen sann –
dann fielen die Worte – wie Regen!
Ich war immer ein Freund von Uwe Jens,
bin lange sein Arzt gewesen.
Wie ein Komet stieg er auf; sein Ruhm war immens,
dann stürzte er ab in steiler Kadenz,
hier ist nun davon zu lesen.
Wie bring ich es bei dem alten Mann,
der unermüdlich dort schafft?
Wie kein anderer er für Nützlichkeit bürgt,
zu Hunderten er die Krickenten würgt,
wie er früher hat Wale gerafft.
Herr Lorensen, hörn Sie! So hören Sie schon!
Ich habe hier Post aus Kiel!
Sie enthält eine wichtige Information
und betrifft den Uw, ihren lieben Sohn –
er ist lange zurück aus Brésil!
LORENSEN: Mag ja sein, Wülfke, ich hab ihn geliebt,
doch hat er mich wohl gehasst.
Sein Eigensinn hat mich tief betrübt,
und wenn‘s etwas, was ich ihm wünsche, gibt,
dann, dass er der Welt sich anpasst.
Warum wird er nicht endlich, was er ist,
ergreift eine Profession?
Schliesslich ist er ein studierter Jurist,
kann Anwalt werden, Richter, Journalist,
statt undefinierter Person.
WÜLFKE: Ich fürchte, lieber Herr Kapitän,
aus ihm wird nun gar nichts mehr.
Verzeihen Sie, wenn ich es erwähn,
nein, nein, das war nur eine Trän,
es bewegt mich das alles sehr.
LORENSEN: Zieh ich seines Lebens Bilanz,
so find ich: Er war ein Tor!
Als guter Kenner der Finanz,
warum ging er nicht zur Assekuranz?
Er stellte doch heute was vor!
WÜLFKE: Erlauben Sie mir, dass ich zitier
aus dem Brief eines Docteur Péchier?
Er war der letzte, scheint es mir,
den er bat um ein rettendes Elixier,
bevor er den Tod suchte im Genfer See.
LORENSEN: Lesen Sie, wenn es nicht anders geht,
Wie hat er den Tod sich gegeben?
WÜLFKE: Wenn es stimmt, was hier steht –
ich bin kein guter Interpret
des Französ’schen, nahm er sich das Leben,
indem er zur Ader sich liess, vor Einsamkeit krank,
dann eine Kugel schoss in das Herz,
sterbend er dann ins Wasser sank,
wo er zur Sicherheit auch noch ertrank,
so endete er seinen Schmerz.
LORENSEN: So war er in seiner letzten Gebärde
ein Meister und einmal gründlich.
Ich wünsch, dass die welsche Erde
leicht ihm werde –
doch war sein Handeln sündlich.
Selbstherrlich warf er ab des Lebens Joch –
was er litt, möcht ich keinem gönnen.
Schade ist es doch –
es hätte immer noch
was Ordentliches aus ihm werden können.

Bei Vandoeuvres; der Erzähler im Talar eines lutherischen Geistlichen sowie Penard, Péchier und vier Kirchgänger
Sie tragen einen Sarg. Über dem Sarg liegt die zerschlissene, beschmutzte schwarzrotgoldene Trikolore. Dem Sarg folgt eine fassungslose Marguérite.
MARGUÉRITE: Ich hab nicht verstanden, was er gedacht,
was in den Tod ihn getrieben.
Doch bin ich sicher: Es war eine Macht,
die verbündet dem Bösen, der Nacht,
sie hat ihm die Rolle geschrieben.
Ihr Deutschen immer schon übertriebt,
es fehlen euch Mass und Mitte.
Was man mir jetzt auch für Namen gibt:
Das eine ist wahr, ich hab ihn geliebt
und pfeife auf Anstand und Sitte.
Auf der Vorbühne irgendwo: die weiterhin nicht farbentragenden Burschen, dem kleinen Trauerzug zugewandt, singen das Lied von Binzer. Alle ab.